Sicherlich kennt das jeder von euch und hat es auch schon einmal erlebt. Man sieht ein Foto von sich, die Bildgestaltung passt, es ist auch gut fotografiert, korrekt belichtet, etc.. aber wenn da bloß ein anderer auf diesem Foto wäre. Man findet sich auf Fotos einfach nicht schön und denkt, man wäre nicht fotogen. Man möchte sich immer von der Schokoladenseite zeigen, aber irgendwie klappt es nicht. Da dies Problem jedoch viele kennen muss der Hauptgrund ja woanders liegen als bei einem selbst. Und genau so ist es auch. Denn jeder ist fotogen.
Des Rätsels Lösung bzw. der eigentliche Grund nennt sich “mere-exposure”-Effekt.. oder auch Gewöhnungseffekt. Doch was genau ist das? Ganz einfach. Wir sehen uns tagein tagaus jeden Tag mehrmals im Spiegel und finden uns in der Regel darin nicht ganz unattraktiv. Wir stylen uns, wir pflegen uns, wir kennen unser Spiegelbild und erkennen uns darin wieder. Da wir im Spiegelbild jedoch spiegelverkehrt abgebildet werden, entspricht dies nicht dem reellem Bild, was auch unsere Mitmenschen von uns sehen. Kein Gesicht ist wirklich zu 100 % symmetrisch. Es weist immer mehrere größere oder kleinere Umgleichheiten auf. Sei es nun ein offensichtliches Merkmal, wie beispielsweise ein Muttermal, oder eher eine minimale Abweichung der Proportionen. Kommen wir nun zurück zum Gewöhnungseffekt. Wir erkennen unser Spiegelbild als unser eigenes Gesicht an, was wir jeden Tag sehen und woran wir uns gewöhnt haben. Doch der Schein trügt. Denn sehen wir nun ein Foto von uns, auf welchem wir “richtig herum” abgebildet sind, stört sich unser Gehirn an diesen ungewohnten Proportionen und lässt es uns als unnatürlich oder “nicht schön” erscheinen. Dies ist jedoch nur ein Trugbild. Das ganze funktioniert natürlich auch andersherum, sodass unsere Mitmenschen auf unser Spiegelbild ähnlich reagieren würden, nur vielleicht nicht so extrem, wie wir selbst.
Oft hat man auch beim Fotografieren von nicht professionellen Models genau dieses Problem. Das Model findet sich einfach nicht schön, obwohl das Bild eigentlich perfekt ist. Genau in diesem Moment müssen wir als Fotografen eingreifen und dem Model suggerieren, dass man diese Bilder oft nicht für sich macht, sondern für die Augen der anderen. Man muss nicht unbedingt auf den Gewöhnungseffekt eingehen, jedoch sollte man ihm das Gefühl geben, dass die Bilder eigentlich perfekt sind. Schließlich lässt das Model die Bilder nicht dafür machen, dass sie irgendwo im Schubkasten verstauben, sondern um sie anderen zu zeigen. Natürlich sollte das Model die Bilder nicht grauenhaft finden und im großen und ganzen damit zufrieden sein, jedoch ist es in meinen Augen wichtiger, was andere darüber denken. Nämlich die Zielgruppe, die wir mit diesen Bildern ansprechen wollen bzw. für welche die Bilder gemacht werden. Denn diese, wie auch wir als Fotografen, sehen das Model so, wie es wirklich aussieht.. und nicht durch einen Spiegel.
Ich hoffe, dieses Thema war etwas hilfreich und interessant für euch. Anregungen können gerne als Kommentar hinterlassen werden.